Gefahrenübergang

Gefahrenübergang

Jeder Handwerker muss seine Arbeit bis zum Zeitpunkt der Abnahme vor Beschädigung, Diebstahl, Wetter und ähnlichem schützen. Leider ist das oft gar nicht so einfach bzw. manchmal sogar unmöglich. Es gibt dennoch ein paar interessante Möglichkeiten, wie Sie Ihre Arbeit und damit sich selber schützen können.

Hinweise zum Gefahrenübergang finden Sie u.a. im BGB §644 und §645

Natürlich ist eine Baustelle grundsätzlich „gefährlich“, denken sie nur an die Belange der Arbeitssicherheit wie Absturz, Verletzung etc… Aber beim klassischen Gefahrenübergang sind ganz andere Gefahren gemeint:

 

Was bedeutet in dem Zusammenhang „Gefahr“?

In jeder Bauphase kann es vorkommen, dass ein Gewerk grundsätzlich „verschlechtert“ wird, also z.B. gestohlen, beschädigt oder vielleicht sogar völlig zerstört und genau diese Verschlechterung ist eben die Gefahr. Dabei spielt es keine Rolle, ob nun ein anderer, auf der Baustelle tätiger Unternehmer, ein unbekannter Dieb oder Vandale oder vielleicht ein unvorhersehbares Wetterereignis der „Täter“ war. Wichtig ist bei der Betrachtung nur, dass weder AG noch AN dieses Ereignis verursacht haben, man nennt das dann die „zufällige Verschlechterung“.

Sollte also der Unternehmer selber einen Schaden auf der Baustelle verursacht haben, muss er diesen selbstverständlich kostenlos ausbessern, das hat dann nichts mit der klassischen Gefahrtragung nach BGB zu tun.

 

Praxisbeispiel

Nehmen wir als Beispiel das Jahrhunderthochwasser 2013 in Fischerdorf bei Deggendorf, als wegen eines Dammbruchs ganze Landstriche überflutet wurden. Stellen Sie sich vor, Sie hätten dort als Unternehmer ein Haus erstellt und noch vor der Abnahme wird das Gebäude durch die Fluten völlig zerstört. Die daraus folgenden Probleme und Fragen liegen auf der Hand: muss der Bauherr trotzdem zahlen, obwohl das Haus gar nicht bezugsfähig ist? Muss der Unternehmer das Haus noch einmal auf seine Kosten erstellen oder bekommt er dafür sogar doppelte Vergütung? Gibt es darüber hinaus Unterschiede zwischen VOB und BGB?

Sie sehen schon, unter Umständen können hier Beträge im Raum stehen, die durchaus existenzgefährdend sein können! Es macht also durchaus Sinn, sich mit diesem Thema einmal etwas näher zu beschäftigen.

 

Besonders wichtig: die Abnahme

Das wichtigste Hilfsmittel für den Unternehmer diesen Gefahren zu entkommen ist die Abnahme! Exakt ab diesem Zeitpunkt geht – außer in besonderen Ausnahmefällen – die Gefahr an einem Gewerk vom Unternehmer auf den Bauherrn über. Zitat BGB §644: „Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes.“

Sorgen Sie also auf jeden Fall dafür, so schnell wie nur irgend möglich Ihre Abnahme zu bekommen!

Es reicht auch nicht aus, dass das Gewerk objektiv schon fertiggestellt ist, alleinig die Abnahme löst den Übergang der Gefahr auf den Bauherren aus!

 

Dringende Empfehlung:

Führen Sie unbedingt eine förmliche Abnahme durch!

Sie treffen sich also an einem vereinbarten Termin mit dem Bauherren auf der Baustelle und fertigen mit ihm gemeinsam ein Abnahmeprotokoll. Nur durch diese Maßnahme haben Sie eine möglichst schnelle und eindeutig nachvollziehbare Möglichkeit, sofort und sogar mit genauer Benennung des Tages den Gefahrenübergang herbeizuführen. Nebenbei beginnt jetzt auch gleich die Gewährleistungszeit zu laufen, die Beweislast geht ebenfalls über, die Schlussrechnung wird fällig uvm….

In der VOB/B §12(5) z.B. gibt es zwar auch eine Abnahme, wenn der Bauherr die Leistung in Benutzung nimmt, allerdings leider erst nach 6 Werktagen. Lassen Sie also nach Fertigstellung den Bauherrn in sein Haus einziehen und verlassen sich darauf, dass nach einer Woche die Abnahme automatisch erfolgt, dann stimmt das zwar rechtlich, Sie haben trotzdem ein echtes Problem. Denn sollte in diesem Zeitraum noch eine Verschlechterung des Gewerks eintreten (Kratzer am Fußboden, Abplatzungen oder Dellen im Putz, Stichwort Umzugsparty…..), so sind Sie in voller Höhe für Verschlechterungen zuständig, sofern Sie nicht beweisen können, dass diese vom Bauherren verursacht wurden! Das könnte schwierig werden, denn schließlich hatten Sie in dieser Woche keine Möglichkeit mehr, Ihr Werk zu schützen!

Noch schlimmer wird es übrigens, im gleichen Absatz der VOB/B zu finden, durch eine bloße Mitteilung über die Leistungsfertigstellung: hier wären es sogar 12 Werktage bis zur Abnahme – ganz schön lange für eine unbezahlte Hausmeistertätigkeit!

 

Schützen Sie Ihre Arbeit

Egal, um welche drohende Verschlechterung es sich also handeln könnte, Sie müssen Ihr Werk bis zur Abnahme schützen! Sei es durch Bewachung, Abdecken, Einhausen oder sonstige Maßnahmen! Sollte der Schutz trotzdem nicht ausgereicht haben und es kommt zu Schäden z.B. durch Graffiti-Schmierereien, Diebstahl oder Vandalismus, dann hilft leider auch kein Richter, dort werden Sie nur hören: „Sie hätten eben noch besser schützen müssen!“

Die Frage, ob dies in der Praxis überhaupt möglich war, weil Sie ja schlecht eine 24/7-Bewachung leisten können, spielt leider keine Rolle!

 

Ausnahme: vorzeitiger Gefahrenübergang in der VOB/B

Abweichend vom oben Geschriebenen, gibt es in VOB/B §7 eine für den Unternehmer recht vorteilhafte Ausnahme-Regelung. Wenn nämlich die Leistung „…..vor der Abnahme durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere objektiv unabwendbare vom Auftraggeber nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört….“, dann kann der Unternehmer trotzdem für die erbrachte Leistung sein Geld verlangen! In dem Fall trägt der Bauherr auch schon vor der Abnahme die so genannte Vergütungsgefahr.

Krieg und Aufruhr erklären sich von selber und sind hoffentlich bei uns niemals Thema. Zum Begriff „höhere Gewalt“ gehören z.B. Überschwemmungen, Blitzschlag, Erdbeben, Wetterereignisse wie Orkane, Reaktorunfälle (Tschernobyl). Wichtig ist aber trotzdem für Sie, dass Sie nachweislich alles unternommen haben, Ihr Gewerk so gut es eben geht zu schützen! Bei einem vom Wetterdienst vorhergesagten Wirbelsturm sind Sie verpflichtet alle möglichen Schutzmaßnahmen zu unternehmen und sind dafür auch beweispflichtig! Unterrichten Sie in jedem Fall auch unbedingt den Bauherren – auch das ist eine Pflicht und im Zweifelsfall müssen Sie auch diese Mitteilung nachweisen: wer schreibt, der bleibt!

Unabwendbarkeit?

Unabwendbare Umstände sind z.B. Beschädigungen, die durch Subunternehmer herbeigeführt werden und gegen die es keine Schutzmöglichkeit gab. Er fackelt durch Unachtsamkeit das ganze Gebäude ab oder setzt es unter Wasser etc…. hier kommt es allerdings immer stark auf den Einzelfall an. Wichtig ist auch, dass auf keinen Fall Ihnen irgendein Verschulden angelastet werden kann, weil Sie z.B.  selber brennbare Gefahrstoffe ungesichert herumliegen hatten, durch die das o.g. Feuer entstand.

Diese beschriebene Ausnahme gibt es tatsächlich nur in der VOB, nicht (!) im BGB. Das rührt wohl von der Tatsache her, dass die VOB ja speziell für Bauverträge entwickelt wurde und ein Handwerks-Unternehmer eben immer einem besonderen Risiko ausgesetzt ist. Seine Baustellen befinden sich in der Regel außerhalb seiner Geschäftsräume, im Extremfall auf der grünen Wiese im Nirgendwo. So hat er natürlich relativ wenige Einflussmöglichkeiten, sein Werk nachhaltig zu schützen und dieser speziellen Situation wurde in der VOB Rechnung getragen.

 

Ausnahme: vorzeitiger Gefahrenübergang in VOB und BGB gemeinsam

Unabhängig von der vorher genannten Ausnahme speziell in der VOB gibt es weitere Sonderfälle, die für VOB- und BGB-Verträge gleichsam gelten, obwohl die entsprechenden Paragraphen nur im BGB zu finden sind.

§275 (1) BGB: die „Unmöglichkeit“

Wird z.B. ein zu restaurierendes Kunstwerk oder ein zu sanierendes denkmalgeschütztes, historisches Gebäude noch vor der Abnahme durch Brandstiftung oder sonstiges zerstört, so kann das Original ja nicht mehr hergestellt und bearbeitet werden, die zu erbringende Leistung wird somit unmöglich. Der Unternehmer wird jetzt von seiner Pflicht befreit, seine Leistung weiter auszuführen bzw. neu zu beginnen. Allerdings hat diese Sache einen Pferdefuß: er bekommt auch keine Vergütung für seine bereits geleisteten Arbeiten, er müsste sogar bislang bezahlte Abschläge rückvergüten.

§644 (1) BGB: „Verzug der Annahme“

Dieser schon oben zitierte Paragraph enthält ebenfalls eine Ausnahme, nämlich wenn der Bauherr es unterlässt, meine Leistung rechtzeitig anzunehmen, obwohl ich als Handwerker sie ihm angeboten habe und sich in diesem Zeitraum die Verschlechterung des Gewerks ereignet. Gleiches gilt, wenn er seine vertraglichen bzw. gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt. Denkbar wäre hier z.B., dass der Bauherr mit Zahlungen in Verzug gerät und der Unternehmer deshalb zurecht die Baustelle verlässt. Wenn vom Bauherrn zu bringende Materialien, Genehmigungen oder Pläne nicht geliefert werden oder auch eine Abnahme unrechtmäßig hinausgezögert, vielleicht sogar verweigert wird. Wird  nun die Leistung in diesem Zeitraum des „Annahmeverzugs“ beschädigt oder komplett zerstört, weil der Unternehmer wegen der Versäumnisse des Bauherrn nicht weiterarbeiten konnte, so hat der Handwerker trotzdem Anspruch auf Vergütung der (beschädigten) Leistungen und muss auch das Werk nicht noch einmal neu leisten!

§645 BGB: „Verantwortlichkeit des Bestellers“

Kurz gesagt: ist der Bauherr daran schuld, dass mein Werk beschädigt oder zerstört wurde, dann habe ich ebenfalls Anspruch auf Vergütung der bereits erbrachten Leistung und ich muss die Bauleistung auch nicht noch einmal erbringen. Beispiele könnten sein, dass der Auftraggeber im Zuge von Eigenleistung meine Arbeiten beschädigt, mangelhafte Baumaterialien liefert (deren Mängel ich bei Einbau nicht erkennen konnte!)

§650g BGB, letzte Ausnahme: Verweigerung der Abnahme und Zustandsfeststellung

Wer meinen Blog/Podcast schon länger verfolgt wird erkennen, dass es sich aufgrund der Nummerierung um einen Paragraphen handelt, der 2018 neu im BGB aufgenommen wurde.

Voraussetzung ist, dass das Bauwerk dem Bauherrn zwar übergeben wurde, er aber die Abnahme verweigert. In dem Fall muss der AG lt. dem Gesetzestext nach Aufforderung durch den Handwerker an einer gemeinsamen Zustandsfeststellung (ZF) mitwirken (gilt natürlich auch für VOB-Verträge!). Diese kann im Übrigen auch vom Unternehmer alleine durchgeführt werden, sofern der AG trotz Termin nicht erscheint. In dieser ZF wird nun ein Protokoll der vorhandenen Mängel angefertigt. Der Clou: bei Mängeln, die nach der ZF auftreten, aber nicht auf dem Protokoll stehen, geht man davon aus, dass sie auch erst später entstanden sind! Es kommt hier also zur Beweislastumkehr: der AG müsste nun vielleicht mit Hilfe eines Gutachters beweisen, dass diese Mängel schon vorher vorhanden waren bzw. vom Unternehmer verschuldet sind.

 

Zusammenfassung:

Trotz einer Menge Ausnahmen, bei denen es zum vorzeitigen Gefahrenübergang kommt muss es für Sie als Unternehmer erste Pflicht sein, nach Fertigstellung Ihrer Arbeiten so schnell wie möglich eine Abnahme herbeizuführen! Der Königsweg dabei ist die förmliche Abnahme. Laden Sie den AG zeitnah mit Terminsetzung dazu ein und scheuen Sie sich auch nicht, bei eventueller Abnahmeverweigerung sofort eine Zustandsfeststellung durchzuführen. Am einfachsten ist es, diese Möglichkeit der Zustandsfeststellung schon bei der Einladung zur Abnahme mit anzusprechen.

Sorgen Sie dafür, dass bis zur Abnahme Ihr Gewerk so gut wie möglich geschützt ist! Sollte das offensichtlich unmöglich oder nur unter schwersten Bedingungen für Sie möglich sein, dann sprechen Sie das unbedingt schon VOR Vertragsunterzeichnung an. Bevor Sie sich vertraglich verpflichten, ist immer noch die Möglichkeit der Verhandlung gegeben, vielleicht können Sie ja Teilabnahmen vereinbaren. 

Nach Setzen der Unterschrift ist Ihre Verhandlungsposition denkbar schwach und Sie haben keinerlei Handhabe mehr, wenn ein Bauherr nicht auf Ihre Bedenken eingehen möchte.

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