In jedem Bauvertrag verpflichten sich beide Vertragsparteien, ihre jeweiligen Leistungen zu erbringen. Das klingt logisch – ist aber in der Praxis manchmal riskanter, als es zunächst scheint. Genau hier kommt die Sicherheitsleistung ins Spiel: ein oft unterschätztes, aber enorm wichtiges Werkzeug zur Absicherung Ihrer Ansprüche.
Ob VOB oder BGB – es gibt klare Regelungen. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Sicherheitsleistungen wann sinnvoll und rechtlich möglich sind, wie Sie diese richtig einsetzen und welche Stolperfallen Sie unbedingt vermeiden sollten.
Warum überhaupt eine Sicherheitsleistung?
Ganz einfach: Weil Verträge auch mal nicht so laufen, wie sie sollen. Auf beiden Seiten.
Als Unternehmer (AN) sind Sie verpflichtet:
Ihr Gewerk pünktlich fertigzustellen – oft unter großem Termindruck
eine mangelfreie und vertragsgemäße Leistung zu erbringen
vereinbarte Eigenschaften wie Schallschutz oder eine funktionierende weiße Wanne nachweislich zu liefern
Der Bauherr (AG) ist hingegen verpflichtet:
Vorleistungen und Planungsunterlagen bereitzustellen
Zahlungen fristgerecht und vollständig zu leisten
Aber was passiert, wenn eine Seite ihre Verpflichtung nicht erfüllt – oder sogar insolvent wird?
Dann hilft eine rechtzeitig vereinbarte Sicherheitsleistung, das finanzielle Risiko zu minimieren.
Welche Arten der Sicherheitsleistung gibt es?
Die Form der Sicherheit darf grundsätzlich die zu sichernde Partei frei wählen (es sei denn, im Vertrag wurde etwas anderes vereinbart). Gängige Formen sind:
Einbehalt von Geld oder Wertpapieren
Hypothek auf ein Grundstück
Bürgschaft durch Bank oder Versicherung (klassischste Form)
Sicherheitsarten im Überblick
✅ Vertragserfüllungssicherheit
Diese soll sicherstellen, dass der Unternehmer seine Arbeiten bis zur vollständigen Fertigstellung auch tatsächlich ausführt.
Höhe: max. 10 % der Auftragssumme (netto oder brutto – vertraglich klären!)
Zeitpunkt: häufig schon während der Bauphase über Einbehalte geregelt
✅ Gewährleistungssicherheit
Sie dient zur Absicherung von Mängeln, die erst nach der Abnahme auftreten.
Höhe: bis zu 5 % der Abrechnungssumme
Laufzeit: meist bis zum Ende der Gewährleistungsfrist
✅ Bauhandwerkersicherheit (§ 650f BGB)
Jetzt wird’s spannend – denn hier ist der Unternehmer abgesichert!
Sie haben ein gesetzlich verankertes Recht, jederzeit (!) vom Bauherrn eine Sicherheit für Ihre Vergütung zu verlangen.
Und zwar nicht nur über die noch offenen Leistungen, sondern sogar mit einem pauschalen Aufschlag von 10 % für mögliche Änderungen.
Beispiel: Bei 100.000 € offener Leistung können Sie eine Sicherheit in Höhe von 110.000 € verlangen.
Das gilt sowohl im BGB- als auch im VOB-Vertrag – und kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden!
Wann dürfen Sie die Bauhandwerkersicherheit NICHT verlangen?
Bei Verträgen mit Verbrauchern (Verbraucherbauvertrag)
Bei Bauträgerverträgen
Beim öffentlichen Auftraggeber
In allen anderen Fällen sind Sie zur Forderung berechtigt – und der AG muss liefern. Verweigert er die Sicherheit, dürfen Sie nach Fristsetzung:
die Arbeiten einstellen
oder den Vertrag kündigen
Achtung bei Einbehalten!
Ohne schriftliche Vereinbarung darf der Bauherr keine Sicherheiten einbehalten.
Das bedeutet: Keine Sicherheit – kein Einbehalt.
Wird doch ein Betrag einbehalten, muss das Geld mindestens auf einem Sperrkonto hinterlegt werden – alles andere wäre ein zinsloses Privatdarlehen auf Ihre Kosten.
Besser: Tauschen Sie den Einbehalt gegen eine Bürgschaft – so sichern Sie Ihre Liquidität!
Bank oder Versicherung – was ist besser?
Bankbürgschaft: Solide, aber oft aufwendig. Ihre Bank möchte Sicherheiten – und zwar umfassend.
Versicherungsbürgschaft: Die kostengünstige Alternative! Inzwischen können Sie diese sogar direkt online beantragen und erhalten die Urkunde meist innerhalb weniger Tage.
Tipp: Prüfen Sie in Ihrem Netzwerk, ob eine Versicherung als Bürge infrage kommt – das spart Geld und Zeit.
Achtung bei Bürgschaften auf erstes Anfordern!
Vermeiden Sie unbedingt Bürgschaften „auf erstes Anfordern“.
Denn hier darf der Bauherr den Bürgschaftsbetrag sofort einfordern, ohne seine Ansprüche beweisen zu müssen. Sie zahlen – und müssen dann klagen, um das Geld zurückzubekommen.
Diese Klausel ist laut BGH in AGBs unzulässig – also: Finger weg!
Zwei Sonderfälle, bei denen der Bauherr Sicherheit verlangen darf:
Vorauszahlungen für Materialien (§ 632a BGB)
Wenn der Bauherr schon bezahlt, bevor das Material verbaut wird, darf er eine Sicherheit fordern.
Alternative: Übertragung des Eigentums an den gelieferten Stoffen.Einbehalte bei mangelhafter Lieferung
Aber nur dann – und mit vertraglicher Grundlage!
Fazit: Sicherheit ist Chefsache!
Sichern Sie sich ab, wenn:
sich das Zahlungsverhalten Ihres Kunden verschlechtert
die wirtschaftliche Lage des AG zweifelhaft ist
hohe Summen auf dem Spiel stehen
Verlassen Sie sich nicht auf Handschlag oder gutes Bauchgefühl – denken Sie unternehmerisch und schützen Sie Ihr Gewerk.
Tipp: Musterschreiben und Formulare zur Bauhandwerkersicherung finden Sie u.a. unter
👉 bauprofessor.de oder bei Handwerkskammern & Fachverbänden.
👉 Weiterführend:
Web-basiertes Seminar „Tatort Baustelle – VOB und BGB sicher anwenden.“ hier ansehen.
Hier die beispielhafte Anforderung einer Bauhandwerkersicherheit als Download