Wie schon in einem früheren Artikel erwähnt, gilt die Privilegierung der VOB/B bereits seit Juli 2008 nicht mehr, wenn es um Verträge mit Verbrauchern, also Privatpersonen geht. Aber ist das eigentlich wirklich so schlimm?
Sehen wir uns die Sache heute etwas genauer an.
Verträge mit Unternehmen oder der öffentlichen Hand:
- Die Privilegierung gilt noch immer, wenn Sie Verträge mit Unternehmen, bzw. dem öffentlichen Auftraggeber schließen.
- Die VOB/B muss dabei allerdings vollständig und unverändert einbezogen werden, andernfalls entfällt die Privilegierung wieder.
- In dem Fall wird dann allerdings nur der Vertragspartner des Verwenders (= derjenige, der die VOB in´s Spiel gebracht hat) geschützt. Das bedeutet, dass nur die Bestimmungen unwirksam werden, die den Vertragspartner benachteiligen. Für den Verwender ungünstige Paragraphen bleiben dagegen unverändert.
- Achten Sie also unbedingt darauf, ob Änderungen der VOB – und seien sie auch noch so geringfügig – vom AG eingeführt werden, denn u.U. werden Sie jetzt vom ABG-Recht geschützt und für Sie unvorteilhafte Klauseln werden (im Streitfall) durch BGB-Regelungen ersetzt!
Beispiele
- Verlängerung der Gewährleistung
- nur förmliche Abnahme möglich
- keine Rückgabe der Sicherheitsleistung nach 2 Jahren
- uvm…
Verträge mit Verbrauchern:
- Hier kommt es noch mehr darauf an, wer die VOB/B eingeführt hat!
- Hat der Verbraucher die VOB/B eingeführt (z.B. weil er durch einen Architekten vertreten wird), gilt die VOB, sofern sie nicht geändert wurde. Falls doch (und das ist fast schon die Regel), dann tritt der gleiche Fall wie oben ein. Die Privilegierung entfällt und der UNTERNEHMER würde somit vom AGB-Recht geschützt.
- Hat jedoch der Unternehmer die VOB/B eingeführt, dann ist es egal, ob sie unverändert bleibt oder nicht, die Privilegierung entfällt auf jeden Fall und die volle Inhaltskontrolle tritt in Kraft.
Welche Klauseln sind überhaupt strittig?
Wie schlimm ist es aber nun wirklich, wenn ich von der VOB/B auf BGB-Bestimmungen zurückfalle? Dazu ein paar Beispiele aus der VOB/B:
Schlecht für den Auftragnehmer (AN), bzw. gut für den Auftraggeber (AG):
- §16 (3) 2-5: AN verliert sein Recht auf Nachforderung, wenn er eine Schlusszahlung vorbehaltlos annimmt, bzw. versäumt, innerhalb einer bestimmten Frist zu widersprechen
- §2 (8) 1: Kein Vergütungsanspruch für Arbeiten, die ohne Auftrag ausgeführt wurden
- §16 (6): Direktzahlungen an Gläubiger des AN
Gut für den Auftragnehmer (AN), bzw. schlecht für den Auftraggeber (AG):
- §13 (4) 1: Gewährleistungsdauer 4 Jahre für Bauwerke (statt 5 Jahre BGB)
- §15 (3) 3: Stundenlohnzettel gilt als anerkannt, wenn er nicht binnen 6 Werktagen zurückgegeben wird
- §12 (3) 1, 2: fiktive Abnahme nach Fertigstellungsanzeige (12 Werktage) bzw. in Benutzung nehmen (6 WT)
Fazit:
Natürlich können Sie trotz allem die VOB/B auch in Zukunft noch wirksam in Verträge mit Verbrauchern einbeziehen, auch wenn das oft fälschlicherweise bestritten wird!
Seien Sie sich aber dessen bewusst, dass damit bestimmte Klauseln unwirksam werden und durch Bestimmungen des BGB ersetzt werden. Der Rest des Vertrages und auch der unstrittige Rest der VOB/B behalten aber weiterhin ihre Gültigkeit.
Wenn Sie mit Unternehmen oder der öffentlichen Hand zusammenarbeiten ist es an der Tagesordnung, dass Ihr Auftraggeber die VOB/B zu seinen Gunsten verändert: in dem Fall entfällt auch die Privilegierung der VOB und Sie werden – im Streitfall – als Vertragspartner des Verwenders vom AGB-Recht geschützt.
Brauchen wir die VOB/B überhaupt noch??
Allerdings ist es eine grundsätzliche Überlegung wert, ob die VOB/B überhaupt für Sie als Handwerker Sinn macht bzw. die Vorteile gegenüber dem BGB wirklich so groß sind? Schon klar, mit ihren nur 18 Paragraphen ist der Teil B recht übersichtlich und im Lauf der Jahre fühlen wir uns alle aus Gewohnheit im Umgang damit (vermeintlich) einigermaßen sicher. Ob dann allerdings die VOB/B vor Gericht, wenn es wirklich hart auf hart kommt zu 100% Bestand hat ist jedoch einigermaßen unwahrscheinlich. Kaum ein Vertrag, der die Verhandlungsphase vor der Unterschrift unverändert übersteht und damit sind mit Wegfall der Privilegierung vielfachen Interpretationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet!
Dazu hat sich die letzten Jahre zunehmend gezeigt, dass die VOB u.a., aber besonders im Vergütungsrecht große Schwächen aufzeigt und trotz mehrfacher Neufassungen keine wirkliche, grundlegende Überarbeitung stattgefunden hat. Dadurch entsteht eine ständig schwelende Rechtsunsicherheit, die bisher nicht nachhaltig behoben wurde.
Bestimmte Regelungen des BGB sind nunmehr nach der Neufassung vom 1. Januar 2018 durchaus unternehmer-freundlicher und auch recht eindeutig geworden. Hier sind vor allem die neuen Vorschriften zum Nachtragmanagement (BGB §650b, c) zu nennen, die den Unternehmer deutlich stärker stellen, als das bisher in der VOB der Fall war.
Natürlich muss sich auch hier erst im Lauf der Zeit zeigen, wie die Gerichte damit umgehen und welche Auslegungen sich durchsetzen, aber die Ansätze sind grundsätzlich begrüßenswert!
Wahrscheinlich wird in nicht allzu langer Zeit wieder eine Novellierung der VOB auf den Markt kommen und es werden weitere Anpassungen an das BGB eingeführt werden. Die Frage ist dann allerdings schon, warum ein Handwerker überhaupt noch einen VOB/B-Vertrag mit Verbrauchern schließen soll, statt gleich auf das BGB auszuweichen, um diverse Grauzonen zu vermeiden?