Gefahrenübergang

Gefahrenübergang auf der Baustelle – wann haftet der Unternehmer, wann der Bauherr?


Was bedeutet „Gefahr“ in diesem Zusammenhang?

Im Bauvertragsrecht spricht man von Gefahr, wenn ein Gewerk unverschuldet beschädigt, zerstört oder gestohlen wird – z. B. durch:

  • Diebstahl oder Vandalismus

  • Wetterereignisse (Sturm, Hochwasser, Frost)

  • Dritte (andere Gewerke, Unbekannte)

  • Zufälle (z. B. Überschwemmung durch Rohrbruch)

Wichtig: Die Rede ist von „zufälliger Verschlechterung“ – also nicht durch AG oder AN verschuldet.

Wenn der Unternehmer den Schaden selbst verursacht, muss er diesen natürlich auf eigene Kosten beseitigen – unabhängig vom Gefahrenübergang.



 

🛠️ Praxisbeispiel: Hochwasser in Deggendorf

2013 wurde ein Neubaugebiet in Deggendorf durch ein Jahrhunderthochwasser zerstört.
Was passiert, wenn:

  • Das Haus vor der Abnahme zerstört wird?

  • Muss der Bauherr zahlen – obwohl das Haus weg ist?

  • Muss der Unternehmer es auf eigene Kosten neu bauen?

➡️ Genau hier wird der Gefahrenübergang zur existentiellen Frage.



 

⚖️ Abnahme = Schlüsselmoment für den Gefahrenübergang

§ 644 BGB: „Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes.“

Fazit: Erst mit der Abnahme geht die Gefahr vom Unternehmer auf den Bauherrn über.

❗Achtung:

  • Nur eine offizielle, förmliche Abnahme zählt!

  • Die reine Fertigstellung genügt NICHT

  • Ohne Abnahme: volle Haftung für alle Schäden bleibt beim Unternehmer


 

📋 Dringende Empfehlung: Förmliche Abnahme mit Protokoll

  • Gemeinsamer Termin mit dem Bauherrn

  • Protokoll mit Datum & Unterschrift

  • Fixiert nicht nur den Gefahrenübergang, sondern auch:

    • Start der Gewährleistungsfrist

    • Fälligkeit der Schlussrechnung

    • Beweislastumkehr


 

🕳️ Problem: „Stillschweigende“ Abnahme nach VOB/B §12 (5)

  • Nach 6 Werktagen Nutzung durch den Bauherrn = automatische Abnahme

  • Oder: 12 Werktage nach Mitteilung über Fertigstellung

  • Aber: Schäden (z. B. durch Umzug oder Besucher) in diesem Zeitraum → Ihr Risiko

Fazit: Vertrauen Sie nicht auf automatische Abnahmen – handeln Sie aktiv!



 

🔐 Werk bis zur Abnahme schützen – Ihre Pflicht!

  • Abdecken, abschließen, einhausen, bewachen

  • Dokumentieren Sie alle Schutzmaßnahmen

  • Beweispflicht liegt bei Ihnen!

„Sie hätten besser schützen müssen“ – so wird ein Gericht urteilen, wenn es hart auf hart kommt.



 

⚠️ Ausnahme: Vorzeitiger Gefahrenübergang nach VOB/B §7

Wenn ein Werk vor der Abnahme durch höhere Gewalt zerstört wird, trägt der Bauherr das Risiko, sofern Sie alle Schutzmaßnahmen getroffen & dokumentiert haben.

Beispiele für höhere Gewalt:

  • Orkane

  • Erdbeben

  • Reaktorunfälle

  • Hochwasser (wenn nicht vorhersehbar)

Auch Beschädigungen durch Dritte (z. B. Subunternehmer) zählen – wenn Sie nachweislich nicht verantwortlich sind.



 

🧾 Weitere Sonderfälle (BGB & VOB gültig)

§ 275 BGB – Unmöglichkeit

Wird z. B. ein historisches Objekt zerstört, bevor es saniert werden kann, entfällt die Pflicht zur Leistung – aber auch der Vergütungsanspruch.

 


 

§ 644 BGB – Verzug der Annahme

  • Bauherr verweigert Annahme oder Abnahme

  • In diesem Zeitraum tritt ein Schaden ein

➡️ Unternehmer muss nicht neu leisten, erhält aber Vergütung für die beschädigte Leistung

 


 

§ 645 BGB – Verantwortlichkeit des Bestellers

Verursacht der AG selbst den Schaden (z. B. durch mangelhafte Materialien, Eigenleistung),
hat der Unternehmer Anspruch auf Bezahlung – ohne Nachbesserungspflicht.



 

§ 650g BGB – Zustandsfeststellung bei verweigerter Abnahme

  • Der Bauherr verweigert die Abnahme

  • Der Unternehmer kann eine Zustandsfeststellung (ZF) durchführen – auch allein

➡️ Beweislastumkehr: Schäden, die nicht im Protokoll stehen, gelten als nachträglich entstanden
Bauherr muss beweisen, dass sie vorher vorhanden waren



 

✅ Zusammenfassung: Was Sie unbedingt tun sollten

1. Förmliche Abnahme zügig herbeiführen

  • Mit Einladung, Frist und Protokoll

  • Alternativ: Zustandsfeststellung

2. Werk bis dahin aktiv schützen

  • Vor Vandalismus, Wetter & Dritten

  • Beweispflicht liegt bei Ihnen

3. Ausnahmen kennen – und vertraglich vereinbaren

  • Teilabnahmen bei Etappen

  • Schutzpflichten frühzeitig ansprechen (z. B. im Angebot)

  • Bei besonderen Risiken: Sonderregelungen verhandeln vor Unterschrift!


 

Fazit:
Gefahrenübergang ist mehr als nur ein juristisches Detail – es ist ein echter Haftungskiller für Handwerker.
Wer sich hier auskennt, schützt nicht nur sein Werk – sondern auch sich selbst.



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