Ein oft unterschätztes, aber enorm wichtiges Thema: das gesetzlich verankerte Widerrufsrecht für Verbraucher – geregelt in den §§ 355, 356 und 650l BGB.
Worum geht’s?
Bei Verträgen mit privaten Kunden (Verbrauchern) sind Sie als Unternehmer gesetzlich verpflichtet, Ihre Kundschaft vor Vertragsabschluss über ihr Widerrufsrecht schriftlich zu informieren. Das Ziel: Schutz vor übereilten Entscheidungen – ein Prinzip, das ursprünglich aus dem Bereich der Haustürgeschäfte stammt.
Ein Beispiel aus der Praxis
Früher (und teils auch heute noch) wurden vor allem ältere Menschen an der Haustür zu Zeitungsabos, Stromtarifen oder Technikpaketen überredet, die sie eigentlich gar nicht brauchten. Besonders dramatisch wurde es bei einer meiner Nachbarinnen (86 Jahre), der ein Komplettvertrag für TV, DSL, Festnetz und Mobilfunk aufgedrängt wurde – obwohl sie weder Internet noch Smartphone besitzt. Dank Widerrufsrecht konnte der Schaden noch rechtzeitig abgewendet werden.
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Ganz aktuell ein wegweisendes und für viele überraschendes Urteil des EuGH zum Thema Widerruf:
Hier nachzulesen
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Aber wie wirkt sich das auf Ihren Bauvertrag aus?
Stellen Sie sich vor, Sie bauen einem Privatkunden ein Waschbecken ein, belehren ihn aber nicht schriftlich über sein Widerrufsrecht. Acht Monate später schreibt Ihnen der Kunde eine Mail: „Ich widerrufe den Vertrag.“
Ja, das geht.
Ohne schriftliche Belehrung hat der Kunde 12 Monate und 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen – formlos, also auch per E-Mail. Und Sie? Sie müssen den gezahlten Betrag erstatten – selbst wenn das Waschbecken schon eingebaut ist.
Falls die Leistung nicht mehr zurückgegeben werden kann, z.B. bei Malerarbeiten, einem Betonfundament oder einer Baugrube, schuldet der Kunde Wertersatz – basierend auf dem vereinbarten Preis oder einem marktüblichen Vergleich.
Was ist überhaupt widerrufspflichtig?
Ein Widerrufsrecht besteht, wenn:
der Vertrag außerhalb Ihrer Geschäftsräume (z.B. beim Kunden zu Hause, im Restaurant, im Café etc.) geschlossen wurde oder
der Vertrag im Fernabsatz zustande kam (per Telefon, E-Mail, Online-Formular usw.)
Wird der Vertrag hingegen in Ihren Geschäftsräumen unterschrieben, entfällt das Widerrufsrecht in der Regel – denn hier wird unterstellt, dass der Kunde sich seinen Entschluss gut überlegt hat.
Funfact – oder besser: Warnung
Das Widerrufsrecht gilt auch für schlüsselfertiges Bauen (§ 650l BGB) – außer, der Vertrag wurde notariell beurkundet.
Ich selbst durfte das am eigenen Leib erfahren:
Ein Bauherr unterschrieb einen Doppelhausvertrag am 17. Dezember – bei sich zu Hause, gemütlich auf der Couch.
Am 24. Dezember kam der Widerruf per Mail. Frohe Weihnachten…
Was bedeutet das für Sie in der Praxis?
1. Sie müssen den Kunden korrekt und schriftlich belehren!
Und zwar nachweisbar – am besten mit Unterschrift des Kunden auf dem Belehrungsschreiben. Eine gesetzeskonforme Vorlage bietet der Gesetzgeber in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB.
Die Widerrufsbelehrung muss enthalten:
das Recht zum Widerruf ohne Angabe von Gründen
Ihre Kontaktdaten
Beginn und Dauer der Widerrufsfrist
der Hinweis, dass die rechtzeitige Absendung genügt
und: der Kunde schuldet Wertersatz, falls er Ihre Leistung nicht zurückgeben kann
2. Beginnen Sie möglichst NICHT innerhalb der 14-Tage-Frist mit der Arbeit!
Falls Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist starten möchten, lassen Sie sich vorher schriftlich bestätigen, dass der Kunde auf sein Widerrufsrecht verzichtet.
3. Was, wenn der Kunde trotzdem widerruft?
Leistung vollständig erbracht? → volle Zahlungspflicht.
Arbeit nur teilweise ausgeführt? → Kunde schuldet Wertersatz.
Mein persönlicher Tipp:
Unterschätzen Sie das Widerrufsrecht nicht.
Eine saubere Dokumentation schützt Sie im Ernstfall vor finanziellen Verlusten. Gewöhnen Sie sich bei Privatkunden ein systematisches Vorgehen an – Widerrufsbelehrung mit Unterschrift und ggf. Verzichtserklärung, falls Sie direkt loslegen sollen.
Fazit
Obwohl das Widerrufsrecht vielen Unternehmern lästig erscheint – es ist gesetzlich vorgeschrieben und unverhandelbar. Wer es ignoriert, riskiert bares Geld. Mit etwas Routine ist die Umsetzung aber kein Hexenwerk – und Ihre Vertragsabschlüsse sind rechtlich auf der sicheren Seite.
Echte Bauhelden Wissen Einfach Mehr!
Ihr
Tom Kett