Anordnungsrecht

Mit der Neufassung des BGB am 1. Januar 2018 wurde auch das Anordnungsrecht des Bauherrn überarbeitet – ein wichtiger Schritt für Bauverträge. Aber was bedeutet diese Änderung konkret für Handwerker? Und wie unterscheiden sich das Anordnungsrecht im BGB und die VOB/B?


 

💡 Was ist das Anordnungsrecht?

Im Bauvertrag gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen einem „Auftrag“ und einer „Anordnung“:

  • Auftrag: Eine beidseitige Willenserklärung – der Auftraggeber (AG) erteilt nach einem Angebot des Auftragnehmers (AN) den Auftrag. Es wird ein Vertrag geschlossen, beide Seiten einigen sich auf Preis und Leistung.

  • Anordnung: Eine einseitige Willenserklärung des Bauherrn (AG). Hierbei wird keine Preisvereinbarung getroffen, und im Extremfall könnte diese auch gegen den Willen des AN durchgesetzt werden.


 

🔄 Warum wurde das Anordnungsrecht geändert?

Bis 2018 gab es im BGB keine Regelungen, die es dem Bauherrn ermöglichten, einseitige Änderungen an einem Vertrag durchzusetzen. Das Werkvertragsrecht im BGB kannte keine solchen „Anordnungen“.

Doch in der Baupraxis sind Änderungen des Bauablaufs fast alltäglich. Bauvorhaben sind komplex, und während der Bauzeit ergeben sich oft unerwartete Änderungen. Sei es durch technische Notwendigkeit oder den Wunsch des Bauherrn nach Anpassungen (z.B. zusätzliches Budget für eine Gaube).

Diese Änderungen könnten bisher nur mit Zustimmung des Unternehmers durchgeführt werden. Wenn der Unternehmer sich jedoch weigerte, musste der Bauherr mit großen Problemen rechnen. Das Anordnungsrecht des Bauherrn soll hier eine Lösung bieten.


 

🏗️ Die zwei Arten der Änderungen:

  1. Technisch notwendige Änderungen
    Wenn plötzlich technische Probleme auftreten – etwa tragfähiger Baugrund erst nach mehreren Metern sichtbar wird oder Schichtwasser auftaucht – dann muss der Unternehmer diese Arbeiten im Interesse des Bauherrn durchführen. In diesem Fall ist es schwer, sich der Anordnung zu entziehen, da diese notwendig ist, um die Leistung vollständig zu erbringen.

  2. Nicht-technisch notwendige Änderungen
    Hier geht es um Wünsche des Bauherrn, die keine zwingenden technischen Gründe haben – etwa die Lage von Mauern oder zusätzliche Innenwände, die nachträglich gewünscht werden. Der Unternehmer kann hier ablehnen, wenn die Änderung unzumutbar ist. Allerdings muss der Unternehmer die Unzumutbarkeit auch nachweisen (Beweislast liegt beim Unternehmer).


 

📝 Ablauf einer Anordnung:

  1. Wunsch des Bauherrn: Der Bauherr wünscht eine Änderung oder Zusatzleistung – und zwar auch ohne einvernehmliche Preisvereinbarung.

  2. Nachtragsangebot des Unternehmers: Der Unternehmer muss ein Angebot erstellen – allerdings auf Basis der tatsächlichen Kosten und nicht der ursprünglichen Angebotspreise.

    • Wichtig: Wenn die Planung und das Leistungsverzeichnis beim Bauherrn liegen, muss dieser seine Planung und das LV für den Nachtrag anfertigen.


 

💰 Preisverhandlungen und Fristsetzung

Wenn der Unternehmer sein Nachtragsangebot erstellt hat, folgt eine Verhandlungsphase:

  • Es gibt eine Frist von 30 Tagen, in denen der Bauherr und der Unternehmer über den Preis verhandeln können.

  • Wenn innerhalb dieser Frist keine Einigung erzielt wird, hat der Bauherr das Recht, das einseitige Anordnungsrecht auszuüben – der Unternehmer muss dann die Arbeiten ausführen.


 

Das Zuckerl für den Unternehmer:

Wird innerhalb der 30 Tage ein Preis vereinbart, steht dem Unternehmer die Vergütung zu.

Sollte keine Einigung erzielt werden, kann der Bauherr die Arbeiten trotzdem anordnen, aber der Unternehmer hat in diesem Fall das Recht, 80% des Preises als Abschlag zu verlangen, sobald die Arbeiten begonnen wurden.

Vorteil:

  • Selbst wenn keine vollständige Einigung über den Preis erzielt wurde, muss der Bauherr zahlen.

  • Trotzdem bleibt der Unternehmer abgesichert, da er schnell 80% der vereinbarten Summe verlangen kann.


 

Anordnungsrecht und Vertragsstreitigkeiten:

Wenn Unklarheiten bezüglich des Anordnungsrechts bestehen – etwa ob es überhaupt anwendbar ist, oder ob der Preis als „überteuert“ gilt – können beide Parteien vor Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen.


 

🚨 Fazit – Was bedeutet das für den Handwerker?

Das Anordnungsrecht des Bauherrn mag anfangs streng erscheinen, bietet aber auch Vorteile für den Unternehmer:

  • 30 Tage Frist für Verhandlungen – eine klare Planungs- und Verhandlungsphase.

  • 80% Abschlag bei Uneinigkeit – im Notfall erhält der Unternehmer eine schnelle Zahlung für den Nachtrag.

Ein bisschen Strenge auf der einen Seite, aber dafür auch schnellere Zahlungen und ein guter Schutz für den Unternehmer, wenn der Bauherr anordnen möchte.

Für Handwerker bedeutet dies: Vertragsklarheit und Dokumentation sind weiterhin entscheidend, um im Falle von Streitigkeiten abgesichert zu sein.


 

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